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Channel: stadt.labor - Plattform zur kritischen Stadtentwicklung » Wipkinger Viadukt
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SBB-Viadukt mit Diesel-Boutique?

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Das Wipkinger Viadukt dürfte nach dem Ende der Renovation im Sommer 2005 nochmals länger leer stehen – oder als Parkplätze dienen. Zumindest letzteres muss verhindert werden. Zusätzlich müssen Regelungen gefunden werden um auch finanzschwache Nutzungen zu ermöglichen.

Anja Recher*
Das Wipkinger Viadukt war jahrelang ein Ort der Kreativität und Eigeninitiative. Damit ist nun Schluss: Ende November soll auch die letzte Halb-Insel, der Bogen 13, schliessen. Doch wer nun glaubt, dass sofort mit dem Erstellen der Einbauten begonnen wird, und schon bald NeumieterInnen einziehen, irrt sich gewaltig. Wie an einer offenen Diskussion mit VertreterInnen von SBB und Stadt im stadt.labor anfangs November bekannt wurde, wird das Viadukt wohl noch mindestens ein bis zwei Jahre leer stehen.

Welche Zwischennutzung nach der Zwischennutzung?
Ein Leerstand der Bogen allerdings ist nicht erwünscht, wird von allen Seiten deutlich gemacht. Was also unternehmen die Besitzerin SBB und die Stadt dagegen? Unglaublich aber wahr die Antwort darauf an besagter Veranstaltung: Parkplätze oder notfalls zwei Meter hohe Gipswändchen – und dies obwohl Parkplätze im offiziellen Wettbewerbsbericht als Zwischenlösung als ungeeignet erachtet werden. Dies ist ein unglaublicher Affront gegen ehemalige NutzerInnen, das Quartier und alle, die bestrebt waren gemeinsam eine gute Lösung zu finden – egal ob es dauervermietete Plätze für AnwohnerInnen oder Kurzzeitplätze für Ausgangshungrige werden. Sollten die Bogen wirklich als Parkplätze herhalten müssen, würde die erarbeitete und relativ gute Kooperationsbasis platzen wie eine Seifenblase. Die NutzerInnen, die das Viadukt erst zu dem begehrten Ort gemacht haben, der er heute ist, rausschmeissen um Autos hineinzustellen – ein Hohn!
Ideen für Zwischennutzungen sind reichlich vorhanden. Von Bocciabahn oder Kletterwand bis zum Stadtbiotop oder gedeckter Erweiterung der Josefwiese, auch leere Bogen wären ein Zuhause für Kreativität und Eigeninitiative. Zumindest haben die VertreterInnen von SBB und Stadt deutlich gehört, wie schlecht ihre Ideen der Zwischennutzung angekommen sind. Halten sie daran fest, ist ihnen Widerstand so gut wie sicher. Und den kennen sie ja eigentlich bereits sehr gut.

Wünschenswerte Querfinanzierung
Wunschpartner der SBB für die Baurechstübernahme ist die Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigem Wohn- und Gewerberaum (PWG). Diese ist zur Zeit am rechnen, ob sie die zweistellige Millioneninvestition auf sich nehmen will, hat also noch nicht entschieden einzusteigen, wie in den Medien bereits vorschnell zu lesen war. Übernimmt die PWG das Viadukt nicht, muss die SBB auf die Suche nach einem neuen Partner, denn weitere Interessenten hat sie nicht in der Hinterhand. Die Chancen, dass die PWG als Partnerin einsteigt, scheinen jedoch (zum Glück) gut zu stehen.
Im gewinnbringendsten Teil zwischen Limmat- und Heinrichstrasse (dem so genannten Abschnitt 1) hingegen wird die Nüesch Development AG nach Investoren suchen (siehe Interview). Die PWG hält in diesem Abschnitt keine Nutzung im Rahmen ihrer Statuten für möglich. Somit verringert sich die Möglichkeit einer Querfinanzierung, ohne die quartierbezogene Einrichtungen wir Handwerksbetriebe oder ein italienischer Comestibles-Laden mit der nach der Renovation fünf Mal höheren Miete kaum überlebensfähig sind. Wäre dies möglich geworden durch die höheren Mieten von ein paar wenigen Shops im Abschnitt 1, hätte kaum jemand etwas dagegen einzuwenden gehabt. Dadurch, dass die PWG nicht das ganze Viadukt übernehmen möchte, verringert sich diese Chance. Denn nur Gastronomie-Betriebe, Galerien, Bars und Kleiderläden à la Diesel über die ganze Viaduktlänge muss unbedingt verhindert werden. Allein mit den Anfragen der Gastroszene könnten die 53 Bogen gefüllt werden. Also für jedes Wochenende im Jahr eine Bar oder ein Restaurant? Zum Glück wird sich niemand auf eine solche Selbstzerfleischung einlassen. Ohne Unterstützungsmassnahmen für das Kleingewerbe und finanzschwache Betriebe wird sich aber die Vielfalt im neu renovierten Viadukt in Grenzen halten.

* Anja Recher ist AL-Gemeinderätin für den Kreis 5



INTERVIEW MIT ANDREAS BINKERT VON DER NÜESCH DEVELOPMENT AG

Die Nüesch Development AG hat von der SBB den Auftrag erhalten InvestorInnen für den Teilabschnitt zwischen Limmat- und Heinrichstrasse, dem so genannten Abschnitt 1, zu suchen. Was genau ist ihre Aufgabe?
Andreas Binkert: Nüesch Development ist ein Entwicklungsbüro. Wir suchen nicht nur Investoren, sondern überlegen uns zusammen mit den Bauherren, zukünftigen Nutzern und Nachbarn, was man am Ort am besten errichten kann.

Werden die Ausbauten im Abschnitt 1 komfortabler als im Rest des Viadukts sein?
Die Viaduktbögen im Abschnitt 1 sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die beiden Brücken trennen. Dieses V ist ein Bereich, der räumlich hochinteressant ist und wo man etwas machen muss, damit die beiden Bauwerke zusammen funktionieren. Es wäre beispielsweise möglich den Zwischenraum mit einer oder mehreren offenen Hallen und seitlichen Galerien aufzufüllen.

Das bedeutet aber, dass die Miete in diesem Bereich noch höher als die prognostizierten 2500 Franken betragen werden?
Dies ist anzunehmen. Wo man mehr bauen muss, werden auch die Mieten entsprechend höher.

Sie haben sich verschiedentlich für Grossprojekte wie beispielsweise das Shopping-Center Westside in Bern engagiert, auf ihrer Homepage findet sich als Investor die CS. Müssen wir nun im Abschnitt 1 mit einer profit-orientierten Shopping-Meile rechnen?
Ich denke, das von der Grösse her die CS eine Nummer zu gross ist. Es ist nicht anzunehmen, dass ein ganz so grossen Investor einsteigt, dazu ist das Objekt zu ungewöhnlich und mit vielen Risiken verbunden.

Wie könnten die zukünftigen NutzerInnen aussehen? Sie sprachen von Diesel-Jeans als möglichem Mieter.
Wir haben die Firma Diesel nicht angefragt, es ist nur ein mögliches Genre. Der Mietansatz wird sicher im quartierüblichen Bereich liegen. Damit das ganze auch funktioniert, müssen wir unterschiedliche Nutzer haben, und die 3000 Quadratmeter reichen für manchen Handwerker, Blumenladen, Kleiderladen oder Restaurant. Das spannende in diesem V-Bereich wäre, wenn ein Raum entsteht, wo verschiedene Dinge gleichzeitig und auch nacheinander laufen: Eine Bäckerei kann zum Beispiel am Abend zum Restaurant werden.

Fabrik Zeitung Nr. 207, Dezember 2004


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